Ein Film und eine Serie
Kennt ihr den Film „Avatar – Aufbruch nach Pandora“? Aktuell läuft die Fortsetzung des bildgewaltigen Science-Fiction-Films in den Kinos. Ein Grundelement der Geschichte von 2009 ist, dass Menschen mittels technisch ermöglichter Bewusstseinsübertragung Körperhüllen steuern können, die künstlich hergestellt wurden – sogenannte Avatare. Diese Avatare sind den Körpern von Ureinwohnern eines fremden Planeten nachempfunden. Sie sind zunächst einfach „leer“, also ohne Bewusstsein. Es sind nur blaue Hüllen. Ganz ähnlich geht es den Hauptdarstellern der Amazon-Serie „Peripherie“. Sie können mittels einer neuartigen Technik künstlich erschaffene Körper in der Zukunft steuern, nur heißen diese nicht Avatare, sondern „Peripherals“. Das interessante an diesen Geschichten ist, dass sie zu einem Gedankenexperiment einladen, das unser Leben und Erleben grundlegend ändern kann.
Avatare werden gesteuert
Das Prinzip aus den oben genannten Geschichten lautet: Wir steuern einen Körper, – einen Avatar – wir sind aber nicht der Körper. Wir erleben durch den Avatar, also wir fühlen, riechen, schmecken, sehen und hören – wir sind aber nicht der Avatar. Wird unser Avatar verletzt oder stirbt er, so stirbt der Avatar – wir jedoch nicht, da wir uns mit unserem echten Körper woanders befinden.
Ein Gedankenexperiment
Für das Gedankenexperiment stellen wir uns nun vor, dass auch unser menschlicher Körper nur ein Avatar ist. Im Grunde genommen ist das eine ziemlich naheliegende Vorstellung. Wir wissen nicht, was vor unserer Geburt war und was nach unserem Tod sein wird. Was wir jedoch zweifelsohne wissen, ist, dass wir für die Dauer unseres Lebens unseren jeweiligen Körper steuern. Nach dem Avatar-Prinzip haben wir einen Körper. Gesteuert wird er von unserem Bewusstsein.
Wir sind unser Körper – oder nicht?
Die herkömmliche Betrachtungsweise ist dem völlig entgegengesetzt: Demnach steuern wir keine Körper, sondern wir sind unsere Körper. Nimmt unser Körper Schaden, altert er oder stirbt er – so nehmen wir schaden, altern wir, sterben wir. Je mehr sich Menschen als ihr Körper identifizieren, desto dramatischer werden diese Prozesse erlebt. Die Sichtweise, dass wir unser Körper sind, wird dadurch verstärkt, dass wir anders als in den Science-Fiction Filmen tatsächlich keine Garantie dafür haben, dass wir uns „in echt“ woanders befinden. Geht unser Körper kaputt, war es das erstmal mit unserem Erleben durch ihn. Insofern macht es natürlich Sinn, unseren Körper in Schuss zu halten. Wahrscheinlich ist er das einzige, was wir in unserem Leben an Materiellem wirklich besitzen.
Im Schlaf sind wir nicht „aus“ – wir träumen
Auf der anderen Seite wissen viele Menschen und auch die Wissenschaft, dass unsere Körper nicht alles sind. Oder sogar: dass wir nicht unsere Körper sind. Wir erleben durch unsere Körper, ja – aber was wir alles erleben, wie wir es erleben und was wir daraus machen – das entscheidet unser Bewusstsein genau wie unser Unterbewusstsein – also wir. Im Schlaf liegen unsere Körper im Bett. Aber wir sind dann nicht „aus“. Unsere Körper liegen, aber wir träumen. In unseren Träumen erleben wir fremde, absurde oder fantastische Welten. Wir erleben uns selbst als Körper oder wenigstens als Beobachter, der irgendwo umher spaziert, vor Monstern flüchtet oder leckeres Essen verspeist. Irgendwann wachen wir auf und denken vielleicht mit Wehmut oder Erleichterung: „Es war nur ein Traum“. Wer in Träumen bewusst sein kann, kann darin herumexperimentieren – er weiß ja, der echte Körper liegt im warmen Bettchen.
Unsere Laune bestimmt unser Erleben
Unseren Alltag erleben wir immer genau so, wir wir gerade drauf sind. Haben wir aus welchen Gründen auch immer gute Laune, so begegnen uns nette Menschen. Wir haben tolle Ideen. Wir fühlen uns beschwingt. Alles klappt scheinbar. Sind wir warum auch immer unzufrieden und haben schlechte Laune, begegnen uns scheinbar nur Miesepeter. Wir sehen überall nur Probleme.
Das alles – unsere Träume und unser Erleben – findet jedoch in einem und demselben Körper statt. Unser Körper kann also nicht die Ursache dafür sein, ob unser Leben schön oder weniger schön ist. Er ist vielmehr etwas, in dem wir uns hier bewegen. Er kann schmerzen. Er kann krank sein, altern, sterben. Er kann Macken haben oder Funktionseinschränkungen. Genauso kann unser Körper gesund sein, sich gut anfühlen, stark sein und er ermöglicht uns angenehme Empfindungen. Psychologie und psychosomatische Medizin haben herausgefunden: Wie es unsere Psyche geht, so geht es uns – und unserem Körper.
Wie hilft uns das Avatar-Prinzip?
Inwiefern kann uns das Avatar-Gedankenexperiment nun helfen? Es hilft uns dabei, wertzuschätzen und loszulassen. Denn:
- Als Menschen haben wir keine Ausweichkörper, sondern nur diesen einen Körper. Er ist zunächst so, wie er eben ist. Irgendwann geht er kaputt. Das lässt sich nicht vermeiden. Es macht daher Sinn, ihn pfleglich zu behandeln – ihn also wertzuschätzen.
- Gleichzeitig macht es keinen Sinn, über alle Maßen an unserem Körper zu haften. Denn was wir erleben und wie wir erleben, wird in erster Linie durch unseren mentalen Zustand entschieden. Das belegen auch unzählige Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die trotzdem ein glückliches Leben leben. Eines Tages ist unser Körper hinüber. Niemand weiß, wann dies der Fall sein wird. Insofern macht es Sinn, sich auf das Mentale – oder modern ausgedrückt: unser Mindset – zu fokussieren.
- Zuletzt steht beim Avatar-Prinzip die Frage im Raum, wer oder was wir denn nun wirklich sind, wenn wir nicht unsere Körper sind. Seelen? Bewusstsein? Energie? Ich denke, dass die Antwort auf diese Frage nicht so wichtig ist. Für wichtiger halte ich die Erkenntnis, dass wir selbst den Schlüssel in der Hand haben, wenn es darum geht, wie wir drauf sind, was wir tun und worauf wir in unserem Leben den Fokus legen. Wir entscheiden, welchen Weg wir einschlagen. Wir entscheiden, wie wir Dinge bewerten. Wir entscheiden, was wir tun. Das bedeutet innere Freiheit. Und das ist einfach nur fantastisch!
Hat euch der Artikel gefallen? Ich wünsche euch viel Spaß dabei, eure Körper wertzuschätzen und gleichzeitig den Fokus auf das Mentale zu legen.
Beitragsbild: © Arne Kruse
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