Nicht jeder Mensch ist ein Menschenfreund
Jeder Mensch ist ein Mensch. Aber nicht jeder Mensch trägt die gleichen Ideale, Werte und Motivation in sich. Man könnte auch sagen: Nicht jeder Mensch verhält sich wie oder ist gar ein kultivierter oder zivilisierter Mensch. Oder ein Menschenfreund. Oder noch klarer: Nicht jeder Mensch ist am Wohl seiner Mitmenschen interessiert. Das sollte man wissen. Es macht das Leben einfacher. Aber es geht noch weiter.
Kleidung macht keine Leute
Wer schicke Kleidung trägt wie zum Beispiel einen Anzug, der wird dadurch kein besserer Mensch. Unter kultivierten und zivilisierten Menschen hat sich zwar die Angewohnheit gebildet, sich wenigstens zu bestimmten Anlässen schick zu kleiden – wobei „schick“ wiederum im Auge des Betrachters liegt – dennoch macht ein Anzug eben keinen Mann, ein Kleid keine Frau. „Kleider machen Leute“ heißt ein geflügeltes Wort – jein. Wenn jemand, der am Wohl seiner Mitmenschen interessiert ist, sich schick kleidet, dann kann das natürlich „schick“ sein und man wird zu „wem“. Nun ja… Wenn aber jemand, der ein Messerstecher, ein Mörder, ein Terrorist oder ein Diktator ist, einen Anzug trägt, so macht ihn dieser Anzug nicht plötzlich zu einem besseren oder seriöserem Menschen.
Äußerlichkeiten machen uns zu keinem besseren Menschen
Was für Kleidung gilt, gilt auch für Ämter, die man bekleidet, für Positionen, die man innehat, für Funktionen, die man übernimmt. Nichts davon macht einen zu einem besseren Menschen. Es geht noch weiter: Das Auto, das wir fahren; Die Wohnung oder das Haus, das wir bewohnen; Nichts davon macht uns zu einem besseren Menschen. Und weiter: Die Art und Weise, wie wir mit anderen umgehen von unserem Getue her (Küßchen hier, Tür aufhalten da etc.); Die Dinge, die wir essen und wie wir sie essen; Unsere Frisur; Die Partei, die wir wählen oder nicht wählen; Ob wir verheiratet sind oder geschieden; ob wir Kinder haben oder nicht; Den Schein, den wir über uns erzeugen – Nichts davon macht uns zu einem besseren Menschen.
Wölfe im Schafspelz
Warum schreibe ich das alles? Weil mir aufgefallen ist, dass es einerseits eine menschliche Tendenz ist, Menschen nach Äußerlichkeiten zu beurteilen. Und zweitens gibt es unter kultivierten Menschen die Tendenz, über Unschönes und Irritierendes hinwegzusehen, um Harmonie herzustellen oder zu bewahren. Beide Tendenzen zusammen werden dann gefährlich, wenn wir den Wolf im Schafspelz nicht erkennen. Weil der Schafspelz so schön ist. Weil wir keine Lust auf einen Wolf haben.
Regimeanführer, die Wölfe sind
Ein immerzu aktuelles Beispiel ist die große Weltpolitik. Wie oft haben westliche Politiker und Diplomaten die Hände russischer und iranischer Regimeanführer geschüttelt? Und schön in die Kamera gelächelt? Und vorher kultiviert zu Abend gegessen? Und irgendwelche Abkommen geschlossen? Klar, es sind eben auch Gepflogenheiten, die einen Sinn haben oder einfach sein müssen. Nichts davon konnte aber die Realität ungeschehen machen – dass Putin ein Mörder ist und nach Landraub lechzt und dass die Iraner Israel am liebsten sofort von der Landkarte tilgen wollen und weltweit Terror verbreiten. Hitler war übrigens Vegetarier und mochte Hunde. Es änderte nur leider nichts am Rest.
Handlungen sind entscheidend
Und so stimmt auch: Dass westliche Politiker regelmäßig Tyrannen die Hände schütteln (müssen), die eigentlich im Gefängnis sitzen würden (im eigenen Land), ist nun einmal so. Es geht nicht anders. Und dennoch ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass das Gegenüber eigentlich ein übler Geselle ist. Den wahren Charakter eines Menschen, seine wahren Motive, die erkennt man vor allem an seinen Handlungen und weniger an seinen Worten oder seinem Äußerem. Wobei Worte durchaus starke Handlungen sein können. Es kommt auf den Kontext an. Ich finde, es ist gut, dies im Hinterkopf zu behalten und ggfs. andere daran zu erinnern. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, Israels Außenpolitik oder westliche Außenpolitik an sich zu bewerten.
Beitragsbild: © Arne Kruse