Facebook-Freundschaft beendet – keine Freunde mehr? 11 Thesen

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Gehen wirklich so viele Freundschaften wegen politischer Differenzen in die Brüche, wie es durch Social Media den Anschein hat? Sicher ist: Echte Freundschaften können durch Intoleranz und Streitereien zerbrechen. Digitale „Freundschaften“ hingegen sind oft gar keine Freundschaften. Es sind lediglich Online-Bekanntschaften oder -Verbindungen. Elf Thesen zur Freundschaft.

11 Thesen zur Freundschaft in digitalen Zeiten

1. Echte Freundschaft hält Differenzen in politischen Fragen aus.

2. Echte Freundschaft kann darunter leiden, wenn einer nicht aufhören kann, zu versuchen, den anderen politisch zu missionieren.

3. Echte Freundschaft profitiert davon, wenn beide akzeptieren, dass beide unterschiedliche Ansichten zu Frage XY haben und haben dürfen.

4. Echte Freundschaft und Facebook-Freundschaft sind nicht das Gleiche. Facebook-Freunde können echte Freunde sein, müssen es aber nicht und sind es oft nicht. Echte Freunde können Facebook-Freunde oder politisch Gleichgesonnene sein, müssen es aber nicht.

5. Um echte Freundschaft zu erhalten oder vor Schaden zu bewahren, kann es sinnvoll sein, die Facebook-Freundschaft zu beenden oder gar zu blockieren – nämlich dann, wenn einer das politische Auftreten des anderen nicht aushält und stattdessen in den Troll-Modus* übergeht.

*Troll-Modus: Mit Troll-Modus meine ich das Verhalten, die Meinung des Freundes nicht nur nicht zu teilen und dies zu äußern – was völlig ok wäre -, sondern wie besessen immer wieder zu diesem Freund hinzugehen – auf seine Seiten, in seinen Bereich, ob digital oder real – um diesen Freund dann mit allen Mitteln und gerne auch mit persönlichen Anspielungen „umzustimmen“ und von der Falschheit seiner Sicht zu überzeugen. Das geht natürlich auch als bloßer Bekannter oder Online-„Freund“.

Trollfigur lacht
Unschuldig wirkender Troll nach getaner Arbeit Bild:©ramonageorgescu via canva.com

Vielleicht ist man selbst derjenige, der zum Troll wird. Oder man wünscht Entlastung von nicht gemochten Beiträgen in seiner Timeline. Dann kann die 30 Tage – „Snooze“-Funktion helfen: „Horst 30 Tage auf Snooze schalten“. So hat man erstmal seine Ruhe und kann das ggfs. immer wieder verlängern – bleibt aber digital „Freunde“. Es kann ja sein, dass das strittige Thema eines Tages kein Thema mehr ist.

Vor dem „Entfreunden“: Die 30 Tage „Snooze“-Funktion probieren

Doch nicht jeder kennt die Funktion Snooze und vielleicht hilft sie auch nicht. Der andere kann ja trotzdem weiter sein Unwesen treiben. Das Manöver Facebook-Freundschaft beenden oder gar die Blockade ist unter echten Freunden sodann nichts anderes, als würde man im echten Leben zu einem Freund auf der Party sagen: „Hey, nerv mich jetzt bitte nicht schon wieder mit Deiner Politik. Du weißt doch, ich sehe das anders. Also akzeptiere das bitte. Komm nicht immer wieder damit an. Lass uns ein Bier trinken und Spaß haben. Es gibt noch anderes im Leben. Also Schluss jetzt damit.“ So erhält man die Freundschaft. Man beendet lediglich einen Kommunikations-Kanal bzw. ein Thema des Austausches.

Das bloße Schließen des Kommunikationskanals bedeutet nur dann das Ende der Freundschaft, wenn der andere daraufhin entscheidet: „Wenn ich nicht mehr mit ihm über Politik reden darf und somit keine Aussicht darauf habe, ihn erfolgreich von seiner Meinung abzubringen, ist die Freundschaft eben vorbei.“ Dann ist die Freundschaft tatsächlich zunächst vorbei, einseitig durch den entschieden, der dies so sieht. Dann gab es vielleicht keine so tiefe Verbindung – oder eben kein Bewusstsein darüber, dass man Grenzen respektieren sollte und es noch anderes im Leben (und in der Freundschaft) gibt. Das alles gilt natürlich nur, solange man nicht selbst meint, mit der Facebook-Freundschaft die Freundschaft insgesamt zu beenden. Wozu selbstverständlich jeder das Recht hat.

6. Das Beenden einer Facebook-Freundschaft unter Personen, die sich nie im echten Leben trafen, ist generell nicht das Beenden einer Freundschaft. Es ist nur das Ende einer auf politischen oder sonstigen digital sichtbaren Gemeinsamkeiten basierenden Internet-Bekanntschaft oder -Sympathie. Die fand ihren Ausdruck im digitalen „Freunde sein“. Das ist mehr, als Fremde sein, aber weniger, als echte Freundschaft. Facebook-Freundschaft hat mit Freundschaft im eigentlichen Sinne wenig zu tun. Im Prinzip ist der Terminus „Freundschaft“ in der digitalen Welt eine arge Übertreibung. Ein passenderer Ausdruck wäre „Kontakt“, „Verbindung“ oder “ feste Online-Bekanntschaft“. Mit so einer Begriffswahl und entsprechendem Verständnis würde auch die Aufkündigung der Verbindung nicht mehr so dramatisch empfunden werden. Statt empört „Er hat mich entfreundet!“ hieße es dann nüchtern: „Er hat den digitalen Kanal geschlossen.“ Da es aber offiziell „Freundschaft“ heißt, passieren eben viele „Entfreundungen“.

Politik hat immer das Potential, Freunde zu trennen

7. Politik hat immer das Potential, Freunde zu trennen, sowie Menschen generell. Dafür braucht es nicht zwei. Einer, der intolerant ist, es ausfechten will und die Grenzen des anderen nicht respektiert, reicht.

8. Wenn ein Freund aus politischen Gründen eine Freundschaft riskiert oder die Facebook-Freundschaft beendet, heißt das nicht automatisch, dass der andere ebenso denkt, fühlt oder handelt. Es kann durchaus sein, dass eine Freundschaft einseitig aufgekündigt wird (oft im Eifer des Gefechtes), während auf der anderen Seite noch eine freundliche Gesinnung herrscht. Wenn sich die politischen Wogen legen, kann das wieder was werden. Ich betone das Wort „kann“, da ja zwei dazu gehören.

9. Falsch verstandene Freundschaft kann dazu führen, dass Menschen sich nicht mehr im Sinne von Freiheit und Demokratie politisch betätigen oder wenigstens öffentlich äußern. Sie unterlassen dies, „um der Freundschaft und der Harmonie willen“ oder um penetrante Grenzüberschreitungen des anderen zu vermeiden. So eine Freundschaft hat einen negativen Effekt für Freiheit und Demokratie. Mit dem Argument „Freundschaft“ und „Loyalität“ wird gerne versucht, missliebige Meinungsäußerungen zu verhindern. Klappt das nicht, heißt es schnell „Verrat“, „undankbar“ oder auch „Egoist“. Auch in freien Gesellschaften ist das ein Problem. In Parteien zum Beispiel – oder eben in Social Media. So ein Verständnis von Freundschaft ist toxisch. Es stellt Freundschaft über demokratische Grundwerte und die kritische Vernunft – meint aber letztlich Unterwerfung und verlangt Kapitulation.

10. Ein Facebook-„Freund“, den ich noch nie im echten Leben getroffen habe, kann mir politisch näher stehen, als ein echter Freund, der meine Ansichten nicht teilt, an Politik nicht interessiert ist oder kein Facebook nutzt. Er kann sogar mehr von mir wissen, als ein echter Freund – sofern er regelmäßig meinen Beiträgen folgt und sofern der echte Freund kein Facebook nutzt. Es heißt jedoch nicht, dass meine freundschaftliche Verbindung zu ihm (dem Facebook-Freund) genauso tief sein muss, wie zu meinem echten Freund.

Echte Freundschaft kann sowohl mit als auch ohne digitale Freundschaft fortbestehen

11. Echte Freundschaft kann sowohl mit als auch ohne digitale „Freundschaft“ fortbestehen. Denn: Die Online-Verbindung ist nur ein Kanal von vielen. Eine Online-Bekanntschaft kann natürlich nicht ohne Online-Verbindung bestehen. Doch selbst im digitalen Bereich gibt es viele Kanäle und Plattformen.

Was bezwecke ich mit diesem Text? Ich kommentiere seit 2004 in sozialen Netzwerken zu politischen Fragen. „Freundschaften“ in Social Media kommen und gehen, je nach Art der Krise und der eigenen Positionierung dazu. Schon bei der nächsten Krise kann es sein, dass die einen, die gerade kamen, wieder gehen oder gegangen werden, während wiederum andere hinzukommen. Echte Freunde hingegen bleiben in der Regel Freunde – Krieg, politische Positionierung und digitaler Freunde-Status hin oder her. Insofern wird manches heißer gekocht, als es gegessen wird.

Titelbild: © alexas_fotos von pixabay via canva.com


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