Freiheit als oberstes Staats- und Politikziel

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Demokratien weisen eklatante Konstruktionsfehler auf – noch immer

Unveräußerliche Grundrechte und Gewaltenteilung reichen nicht aus, um Freiheit und Demokratie sowie eine pluralistische Gesellschaft zu erhalten. Das zeigt die Gegenwart. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs waren westliche Gesellschaften – und vor allem Deutschland – darum bemüht, ihre politischen Systeme und Prozesse so zu gestalten, dass eine erneute Machtübernahme durch Extremisten unmöglich würde. Geschichte und Gegenwart zeigen, dass sie bis auf Ausnahmen dabei sind, grandios zu scheitern.

Unveräußerliche Menschenrechte reichen nicht aus

Das, was Islamisten als „Werte-Diktatur“ bezeichnen, ist für Demokraten selbstverständlich: Die Grund- und Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Sie stehen ganz oben in der Verfassung. Sie sind gesetzt. Sie gelten als unveräußerlich. Auch die Mehrheit darf sie nicht abschaffen. Dann gibt es das demokratische Wahlsystem und den Rechtsstaat – diese beiden Säulen sollen die Freiheit aller Bürger absichern – und im besten Fall den Fortbestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung an sich. Das tun sie aber nur zum Teil.

Demokratie als Selbstbedienungsladen

Tatsächlich geschieht es nach wie vor, dass Bürger in demokratischen Staaten Demokratie und Rechtsstaat nur für ihre Partikularinteressen benutzen, statt Freiheit allgemein zu schützen. Demokratie scheint für die Mehrheit der Bürger und Politiker ein reiner Selbstbedienungsladen zu sein: Alle nehmen sich einfach alles, was sie wollen. Das rechtfertigen sie mit ihrem Mandat – „wir wurden ja gewählt“ – oder mit ihrem Stimmrecht: „Es ist mein demokratisches Recht!“. Dies ist einer der Konstruktionsfehler moderner Verfassungsstaaten: Alles in ihnen kann nach wie vor dazu verwendet werden, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen oder nachhaltig zu schädigen. Kein Problem besteht, solange die Mehrheit der abstimmenden Bürger und die Mehrheit der politisch aktiven Bürger sich nicht von Unvernunft, von niederen Emotionen und von egoistischen Beweggründen leiten lassen. Wehe aber, dies ändert sich. In dem Moment, wo einerseits naive Politik gemacht wird, wo verprasst wird, wo Gefahren und grundlegende Dinge ignoriert werden und wo andererseits destruktive Ideen und Emotionen geschürt werden, verwandeln sich demokratische und rechtsstaatliche Institutionen in Wegbereiter des Untergangs und der Tyrannei. Mit dem Segen der Demokratie, wohlgemerkt.

Die freie Welt der Zukunft

Was ich jetzt in den Raum stelle, gibt es meines Wissens so nirgendwo. Das wird es vielleicht auch lange Zeit nirgends geben. Es ist also eine reine Utopie. Die Zeichen der Zeit deuten darauf hin, dass die freie Welt so, wie sie aktuell existiert, nur noch eine Weile bestehen wird. Es sieht düster aus für den langfristigen Fortbestand von Freiheit und Demokratie in Nordamerika, Europa und Ostasien. Es drohen Kriege, Bürgerkriege oder Tyrannei. Wirtschaftlicher Niedergang, mangelnde Wehrhaftigkeit und die Gifte des politischen Hasses sowie der politischen Dummheit bereiten dafür den Weg. Und eben die Konstruktionsfehler liberaler Verfassungsstaaten. Was meine ich damit?

Drei essentielle Fragen

Alles beginnt mit drei grundlegenden Fragen: 1. Was, wenn die Mehrheit einer Gesellschaft für Diktatur, ihren eigenen Untergang oder eine Politik eintritt, die beides herbeiführt? 2. Wie kann verhindert werden, dass die Mehrheit einer Gesellschaft für Tyrannei, den eigenen Untergang oder eine Politik eintritt, die beides herbeiführt? 3. Wie können sich freie Gesellschaften effektiv nach innen und außen behaupten?

Die Antwort auf Frage eins haben wir bereits mehrfach in der Geschichte erhalten. Wenn Demokratie ermöglicht, dass sich die Feinde der Freiheit durchsetzen, wird sie ganz einfach Geschichte. Tyrannei oder Chaos sind dann die neue Realität. An Frage zwei droht die freie Welt der Gegenwart zu scheitern: Es wurde und wird nicht verhindert, dass sich Unvernunft und Extremismus durchsetzen. Frage drei ist die Frage der Fragen, auf die es mit unseren herkömmlichen politischen und verfassungsrechtlichen Mitteln und Sichtweisen keine Antwort gibt.

Freiheits-Diktatur

Ich behaupte, dass eine freie Welt der Zukunft, sofern sie frei bleiben will, mehr Dinge als unveräußerlich setzen muss, als es jetzt der Fall ist. So, wie die Hamburger Islamisten heute „Werte-Diktatur“ schimpfen – damit beschweren sie sich darüber, dass Menschenrechte wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau über der Scharia stehen – so werden sich über meine folgenden Vorschläge noch weitere aufregen, von links bis rechts. Sie werden sagen, ich fordere eine Diktatur der Freiheit. Das ist mir herzlich egal. Es ist offensichtlich, dass viele Menschen in der freien Welt von heute nicht verstanden haben, worauf die Freiheit basiert, die sie für selbstverständlich erachten. Ich sehe nicht, dass die Gesellschaften der USA, Deutschlands oder Großbritanniens von ihrer Mentalität her so viel anders ticken, als es die Deutschen in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts taten oder die Menschen in Jugoslawien Anfang der 90er Jahre. Was bräuchte es in Zukunft?

Hürden garantieren ein Mindestniveau

Da ich Deutscher bin, bleiben wir bei Beispielen aus Deutschland. Jemand, der Bus- oder LKW-Fahrer werden möchte, muss dafür einen separaten Führerschein machen. Das erscheint sinnig, da Busse und LKWs größer sind als VW Polos. Man trägt eine größere Verantwortung. Es wäre gut, wenn Bus- und LKW-Fahrer ihre Fahrkunst beherrschen. Gott sei Dank darf nicht jeder ohne Weiteres Busse oder LKWs fahren! Das schützt alle Verkehrsteilnehmer. In ähnlicher Weise gibt es bei vielen anderen Berufen und Tätigkeiten Hürden. Hürden, die jemand erst überwinden muss, um dann tätig werden zu dürfen. Ärzte müssen Medizin studiert haben. Handwerker, die ein eigenes Geschäft aufmachen wollen, müssen die Meisterprüfung bestanden habe. Rechtsanwälte müssten die Staatsexamen absolviert haben. Trotz dieser Hürden passiert es immer wieder, dass Menschen in Berufen sind, wo sie besser nicht sein sollten. So ist das Leben. Kein System ist perfekt. Keine Regel garantiert, dass nicht doch etwas schief läuft. Manchen Hürden sind zu hoch oder zu niedrig, manche gehen an der Sache vorbei. Hürden und Regeln verhindern aber, dass alles permanent immer schief läuft. Ein allgemeines Mindestniveau wird sichergestellt. Ausnahmen bestätigen dann eben die Regel.

Kosntruktionsfehler Nr 1: Jeder Idiot darf Berufspolitiker werden

Ein Beruf, bei dem es überhaupt keine Hürden gibt, ist jener des Politikers in einer Demokratie. Und damit sind wir schon beim Konstruktionsfehler Nummer eins. Jeder Idiot darf Politiker und damit auch Bundeskanzler werden – und kann dann nach eigenem Gutdünken alle anderen Regeln ändern, aufheben oder Neue erlassen. Das ist Wahnsinn. Er kann und muss das Geld aller verwalten. Er kann es zum Fenster raus schmeißen. Er kann es Putin in den Hals stopfen. Wir als freie Gesellschaft regeln über Gesetze den Zugang zu allen möglichen Berufen und Tätigkeiten. Nur bei dem Beruf und der Tätigkeit, die ihrem Ausführer Macht über alle und alles andere gibt, regeln wir nichts. Jeder Idiot darf und kann Politiker werden! Jeder Idiot, jeder Ungeeignete, jeder Extremist darf Politiker werden. Er muss sich nur aufstellen lassen und es dann schaffen, gewählt zu werden. Das ist fahrlässig sondergleichen. Es ist das Einfallstor für alle, die Freiheit und Demokratie nicht verstehen oder hassen. Es ist eine Einladung an inländische Extremisten und ausländische Feinde unserer Demokratie. Es ist ein Freibrief für Populisten aller Art, für ethnische Unternehmer, für Freaks, für Leute mit Partikularinteressen. In einer freien Welt der Zukunft kann niemand Politiker werden, der nicht zuvor bestimmte Prüfungen abgelegt und Hürden überwunden hat. Letztlich muss sichergestellt werden, dass nur Personen politisch tätig werden, die Freiheit und Demokratie verstanden haben und deren Motivation es ist, sie zu schützen. Wie diese Hürden genau aussehen, muss überlegt werden. Dass es sie braucht, sollte, Trump sei Dank, klar sein.

Konstruktionsfehler Nr. 2: Politiker dürfen zu viel und müssen zu wenig

Politiker in freien Gesellschaften sollten gewisse Dinge überhaupt nicht machen dürfen. Bislang dürfen sie nur die Menschenrechte nicht abschaffen und nicht gegen Gesetze verstoßen. In einer freien Welt der Zukunft sollten für Politiker viel mehr Dinge nicht erlaubt sein: Sie dürfen Polizei und Bundeswehr nicht schwächen. Sie dürfen keine Zuwanderung von Menschen erlauben, die unsere Grundwerte nicht akzeptieren. Sie dürfen das wirtschaftliche Leben der Menschen und Unternehmen nicht blockieren. Sie dürfen nicht einfach die Strompreise verteuern. Das sind nur willkürliche Beispiele. Dann sollte es Dinge geben, die sie tun müssen: Sie müssen Rechenschaft ablegen wie ein Vereinsvorstand. Sie müssen regelmäßig Fortbildungen besuchen in puncto Internationale Politik, Grundwerte, Demokratie und Wohlstand/Marktwirtschaft. Vieles mehr sollten sie müssen. Und wenn sie das nicht tun, sollte ihre Erlaubnis, politisch tätig zu sein, automatisch erlöschen. Auch dann, wenn sie beliebt sind oder gewählt werden würden. Wer Politiker in einer freien Gesellschaft sein will, muss sich das verdienen genau wie ein Busfahrer, ein Bäckermeister, ein Arzt oder ein Anwalt es sich verdienen muss, seine Tätigkeit ausüben zu dürfen. Wer Politiker sein will, muss beweisen, dass er dafür geeignet ist. Und er muss sich den Grundwerten von Freiheit und Demokratie unterwerfen, ihnen dienen. Aufgrund der Verantwortung und Macht sollte es für Politiker höhere Hürden geben als zum Beispiel für Busfahrer. Und wiederkehrende Hürden wären ebenso gut. Politiker müssen mehr schaffen, als wiedergewählt zu werden.

Konstruktionsfehler Nr. 3: Parteien arbeiten für sich und spalten die Gesellschaft

Viele beklagen die Spaltung der Gesellschaft. Die gleichen Leute übersehen geflissentlich den Schaden, den Parteien an sich für Freiheit und Demokratie anrichten. Parteien sorgen dafür, dass nicht selten die Ungeeignetsten und machtbesessensten Personen politische Ämter übernehmen. Parteien sind vor allem um ihr eigenes Wohl besorgt, während sie aber für das Wohl der Gesellschaft arbeiten sollten. Parteien spalten unsere Gesellschaft – das fängt schon beim Begriff Partei an – in gegnerische oder verfeindete Lager und Gruppen, in dem sie sich selbst als fehlerlos und die anderen als Ursache aller Übel darstellen. Parteien schaden dem freien Denken und damit der Vernunft in sich selbst. Parteien leisten dem Schubladendenken und damit dem Pauschalisieren Vorschub. Parteien mögen einen Sinn haben, aber ihr destruktives Wirken nach innen und außen sollte in der freien Welt der Zukunft thematisiert und begrenzt werden. Es sollte keine Parteien geben dürfen, deren oberstes Ziel nicht die Bewahrung von Freiheit und Demokratie ist, noch vor allen anderen Partikularpositionen. Anders gesagt: Jede Partei und jeder Politiker in einer Demokratie muss zweifellos hinter Freiheit und Demokratie stehen. Das muss über Hürden sichergestellt werden.

Ich belasse es bei diesen drei fundamentalen Punkten. Es gibt weitere Dinge, die in der freien Welt der Zukunft berücksichtigt werden sollten. Aktuell können wir froh sein, wenn Freiheit, Demokratie, Wohlstand und Frieden noch ein paar Jahre erhalten bleiben. Die Grundlagen dafür, dass wir überhaupt in Freiheit, Frieden und Wohlstand leben konnten und können, liegen weitestgehend in der fernen Vergangenheit und nicht bei uns selbst. Andere sind dafür gestorben. Andere haben dafür ein starkes Militär aufgebaut. Jetzt kommen tiktok, Putin, Trump und die AfD und ändern den Lauf der Dinge.

Ich wünsche den Menschen, die ernsthaft und selbstverantwortlich in einer freien Gesellschaft leben wollen, die Kraft, ihre Lebensfreude trotz der Tristesse im politischen Raum zu bewahren.

Beitragsbild: © Arne Kruse


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