Was ist wichtiger: Heimat oder Werte?

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Wem gehört die Loyalität?

Was ist wichtiger: Loyal gegenüber der Heimat sein oder seinen Fokus auf menschenfreundliche Werte legen? Ein Teil der Menschheit sagt: Loyalität gegenüber der Heimat ist wichtiger. Ein anderer Teil sagt: Werte zählen mehr. Heimat kann in diesem Zusammenhang viel bedeuten: Die Kultur, Religion und Tradition des Herkunftslandes oder der Abstammungsfamilie. Die Ideologie des Regimes, unter dem man lebt. Die eigene Familie und Sippe. Die soziale Bezugsgruppe welcher Art auch immer. Die Orte, Regionen und Länder, wo man herkommt. Also nochmal: Was ist wichtiger? Menschliche Werte – also Liebe, Freiheit, Vernunft und Lebensfreude – oder aber Loyalität gegenüber der Heimat?

Heimat ist einfach und mächtig

Die Frage stelle ich aus einem ganz bestimmten Grund. Heimat ist einfach und mächtig. Sie muss nicht gemacht werden. Man wird in sie hineingeboren. Deswegen ist sie einfach. Sie ist einfach da. Heimat ist mächtig, weil sie in uns starke Emotionen hervorruft. Emotionen, die so stark wirken können, dass Werte zweitrangig werden.

Muss ich oder darf ich?

Muss ich mich gegenüber den religiösen Vorstellungen meiner Familie und Sippe loyal verhalten? Oder darf ich das Kopftuch ablegen? Muss ich als Russe den Nationalismus und die Propaganda des Kremls verteidigen? Oder darf ich sie auch im russischen Verwandten- und Bekanntenkreis als das bezeichnen, was sie sind: Nationalismus und Propaganda? Muss ich mich als Ostdeutscher zwischen der Linkspartei oder der AfD entscheiden, um Patriot zu sein? Oder darf ich diese beiden Parteien als das bezeichnen, was sie sind: Sammelbecken für Demokratiemissversteher, Diktatur-Nostalgiker und Diktator-Anhimmler? Muss ich als Träger bestimmter biologischer Merkmale jenen zustimmen, deren Merkmale ich teile? Oder darf ich mir meine Meinung selbst bilden? Auch wenn es bedeutet, den Schwarzen, Weißen, Bunten, Frauen, Männern und sonst wie Speziellen zu widersprechen, die vorgeben, in meinem Namen zu sprechen? Muss ich in meinem Dorf, meiner Region oder meinem Land wohnhaft bleiben? Oder darf ich mir selbst meine Wahlheimat aussuchen? Entscheidet meine Nationalität oder Religion darüber, wie ich fühle, denke und handle, oder entscheide ich das selbst?

Heimat hat zwei Seiten

Heimat ist häufig verbunden mit Zugehörigkeit – aber auch mit sozialem Druck. Heimat bedeutet, geliebt zu werden – aber sie bedeutet auch auch drohender Liebesentzug. Heimat bedeutet zu Hause sein – aber auch die Gefahr, als Verräter verstoßen zu werden und sein zu Hause zu verlieren. Heimat kann uns beflügeln – aber genauso kann sie uns ausbremsen. Wenn wir so leben, wie wir es für richtig halten, kann es bedeuten, dass Heimat uns das als Verrat ankreidet. Dann stellt sich die Frage: Was ist uns wichtiger? Wofür entscheiden wir uns? Fürchten wir Konsequenzen?

Werte müssen errungen werden

Menschenfreundliche Werte sind nur dort vorhanden und erlebbar, wo sie gegen Widerstände von innen (Angst sowie destruktive Gefühle und Gedanken) und außen (festhaltende oder verurteilende Reaktionen unsere Umfeldes) errungen wurden. Menschen müssen sich für Werte entscheiden, um Werte zu erleben. Sie sind nicht einfach da. In unfreien Gesellschaften und Sippen steht ihnen dabei häufig die Heimat im Weg. Denn die Heimat sagt: „Es war schon immer so. Wir sind nun einmal so. Also bleibt es auch so. Alles ist gut, wie es ist.“ Spürt die Heimat, dass jemand sich trotzdem anderem zuwendet, sagt sie gerne: „Warum tust Du uns das an? Wir haben so viel für Dich getan. Du stehst in unserer Schuld“. Sie droht: „Du wirst schon sehen, was Du davon hast!“.

Wer sich für den Weg der Freiheit, der Liebe und der Lebensfreude entscheidet, muss diese Widerstände überwinden bzw. links liegen lassen. Das gilt für den Einzelnen genau wie für Gesellschaften als Ganzes.

Wertegemeinschaft als Heimat

Menschenfreundliche Werte und Heimat können im krassen Widerspruch zueinander stehen. Die Auseinandersetzung darum durchzieht die gesamte Menschheitsgeschichte. Die freie Welt von heute ist nur deshalb frei, weil sich Menschen und Gesellschaften jahrhundertelang immer wieder von ihrer alten Heimat verabschiedet haben, um als Wertegemeinschaft neue und bessere Werte leben zu können. Die USA sind so entstanden. Die Ukrainer kämpfen dafür, sich von Russland zu befreien, während Russland, das sich selbst anmaßt, Heimat der Ukrainer zu sein, das verhindern will. Heute gibt es viele Länder auf der Erde, die sowohl Heimatland als auch Wertegemeinschaft sind.

Ich bin sehr dankbar dafür, in einem Land und in eine Familie geboren worden zu sein, wo menschenfreundliche Werte Priorität Nummer eins sind. Menschenfreundliche Werte sind meine Heimat. Mit dieser Heimat fühle ich mich an vielen Orten dieser Welt zu Hause – zuvorderst in der freien Welt. Eine Heimat, die mich ausbremst und unterdrückt, statt mich zu beflügeln, brauche ich nicht.

Ich wünsche allen viel Spaß und Mut dabei, sich im Zweifel für Werte und gegen die Heimat zu entscheiden und andere dabei zu unterstützen.

Beitragsbild: © Arne Kruse


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