In der Welt, aber nicht von der Welt

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Was tun, wenn sich Politik, Gesellschaft und Wirtschaft in einer Weise entwickeln, die einem Angst macht oder zuwider ist? Es gibt eine ganze Bandbreite an Reaktionsmöglichkeiten. Die beiden äußersten Extreme bilden die Pole „Einhundertprozent Drama“ am einen Ende und „Völlig entrückt“ am anderen Ende.

100 Prozent Drama

Wenn Du Drama liebst und Drama erleben willst, solltest Du Dein Seelenheil unbedingt von äußeren Umständen abhängig machen, auf die Du allein kaum Einfluss hast. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen eignen sich dafür sehr gut. Ein paar Tipps, wie Du dabei besonders erfolgreich vorgehen kannst, präsentiere ich Dir hier:

  • Suche Dir einen Zeitpunkt aus der Vergangenheit und verkläre ihn zum Idealzustand. Da sich die Welt und Deine Gesellschaft die ganze Zeit wandeln, was Du als Einzelner wiederum nicht verhindern kannst, wirst Du garantiert ständig leiden. Die Grundüberzeugung, an der Du wie eine Klette haften solltest, lautet: „Früher war alles besser“. Das funktioniert gut, da der Zeitpunkt „früher“ immer vorbei ist. Es kann nicht mehr genauso werden, wie es war, da es sich um die Vergangenheit handelt. Indem Du Dein Glück in die Vergangenheit projizierst, ist es unerreichbar für Dich. Das ist sehr gut, um Drama zu erleben. Es spielt keine Rolle, ob es früher tatsächlich besser war. Wichtig ist, dass Du davon überzeugt bist.
  • Suche Dir Menschen, die Dich in dieser hoffnungslos-nostalgischen Sichtweise bestätigen. Gemeinsam der Vergangenheit hinterher zu trauern ist schöner und kraftvoller, als dies allein zu tun. Falls Du aus Versehen mal etwas Gutes im Hier und Jetzt siehst oder in der Zukunft vermutest, erinnert Dich Dein Umfeld an die Falschheit dieser Wahrnehmung.
  • Identifiziere Dich nicht zuerst als Mensch, sondern zuerst als Angehöriger einer Nation, einer Glaubensgemeinschaft, einer Ethnie, einer Hautfarbe, eines Geschlechtes oder einer politischen Richtung. So gehst Du sicher, dass alles Unrecht, alles Unschöne und alles Ungewollte, was mit Deiner Gruppe zu tun hat, auch mit Dir zu tun hat. Du bist nicht Du, sondern Du bist diese Gruppe. Mach Dein persönliches Glück davon abhängig, was Mitglieder Deiner Gruppe tun oder lassen oder wie andere Leute mit Deiner Gruppe umgehen. Wenn jemand aus Deiner Gruppe etwas Unrechtes tut – z.B. einen Mord begeht – und dafür belangt wird, solidarisierst Du Dich mit dem Täter aus Deiner Gruppe. Auf diese Weise stellst Du sicher, dass Du bei Geschehnissen ständig involviert bist, selbst wenn sie gar nichts mit Dir zu tun haben. Du machst das Schlimme, was Leute Deiner Gruppe anderen antun, zu Deinem Eigenem. Super!

Die Wunderpillen, die die oben genannten Tipps ins Unendliche verstärken, sind jene hier:

  • Verschwörungs-Ecstasy: Verfolge ununterbrochen politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen – am besten nicht faktenbasiert – und vermute dahinter geheime Zirkel und Kräfte, denen Du und andere hoffnungslos ausgeliefert seid. Je mehr Du Dich als Wurm identifizierst, desto besser kannst Du getreten werden. Und Getretenwerden, das ist Dein Ziel!
  • Opfer-Ecstasy: Du bist ein Opfer, und zwar ausschließlich. Die anderen sind die Täter. Verinnerliche diese Grundhaltung. Lautes Klagen hilft Dir dabei. Unterlasse es, solche Schritte zu unternehmen, die etwas an Deinem Opfersein ändern. Du kannst ruhig Dinge tun. Nur nicht solche Dinge, die Deine Selbstwirksamkeit stärken. Je mehr und je unverrückbarer Du Opfer bist, desto besser kannst Du leiden und andere anklagen. Und Leiden und Anklagen, das ist Dein Ziel!
  • Missionierungs-Ecstasy: Suche Bestätigung dadurch, dass Du Andersdenkende überzeugst. Verinnerliche Folgendes: Meinungsfreiheit gilt für Dich, aber nicht für andere. Meinungsfreiheit bedeutet, dass Deine Meinung potentiell richtig ist und Du daher das Recht und die Pflicht hast, andere von Deiner Meinung zu überzeugen. Nur, wenn es Dir gelingt, andere zu überzeugen, beweist es die Richtigkeit Deiner Sichtweise. Deswegen musst Du Dich ins Zeug legen. Am meisten Punkte gibt es, wenn Du Leute überzeugst, die von etwas gänzlich anderem überzeugt sind, als Du selbst. Quantität zählt. Missioniere in Deinem Umfeld. Reagiere wütend, wenn andere es sich erlauben, trotzdem eine andere Sichtweise zu vertreten. Da sich gerade Menschen mit konträren Überzeugungen nicht gerne von Deiner Überzeugung überzeugen lassen, ist das der Schlüssel für Wut und Dauerfrust. Gut!

Wenn Du diese Schritte befolgst, wirst Du mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit großes Drama erleben und unzufrieden sein, da Du Dich abhängig von anderen und von unvermeidbaren Entwicklungen machst. Herzlichen Glückwunsch!

Völlig entrückt

Vielleicht willst Du statt Drama zu erleben lieber glücklich sein. In diesem Fall machst Du Dein Seelenheil am besten von nichts abhängig, was Du nicht kontrollieren kannst. Da Du über nichts im Außen die Kontrolle hast, scheidet alles Äußere aus. Zum Äußeren zählen nicht nur die Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, sondern auch Dein Umfeld, Dein Körper, Deine Vergangenheit und Deine Zukunft. Das Einzige, worüber Du Kontrolle hast, ist Dein Erleben und Handeln im aktuellen Moment – wobei selbst dies schwierig umzusetzen ist, wenn Du das nie geübt hast. Doch angenommen, Du schaffst das – was ist dann mit den anderen Menschen? Du lebst ja nicht allein auf dieser Welt. Falls es Dir zu weltfremd, zu egoistisch oder auch zu unbefriedigend erscheint, Dich nur um Dein Glück zu scheren, habe ich folgenden Mittelweg als Tipp.

In der Welt, aber nicht von der Welt
  • Du verstehst, dass Du auf dieser Welt nur ein Gast bist. Dein Körper ist nichts als ein Avatar, der Dir von Deiner Geburt bis zum Tod zur Verfügung steht. So viel ist sicher. Du bist nicht Dein Körper. Du hast ihn.
  • Du identifizierst Dich zuerst als Mensch und erst danach als Angehöriger verschiedener Gruppen. Die Gruppenzugehörigkeiten als Mann, Frau, Deutscher, Türke, Hellhäutiger, Dunkelhäutiger usw. lassen sich nicht vermeiden. Aber sie machen Dich nicht aus. Sie machen Dich nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere. Du siehst die Vorteile darin. Während Du nicht alles persönlich nimmst, was andere tun und anderen passiert, lässt Dich gleichzeitig nicht alles kalt.
  • Während Du einerseits verstehst, dass Du selbst für Dein Glück verantwortlich bist, verstehst Du gleichzeitig, dass das auch für alle anderen Menschen gilt. Wenn es nun politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen gibt, die Du als problematisch erkennst, da sie zum Beispiel zu Unfreiheit, Unterdrückung, Gewalt oder Armut führen, dann steuerst Du durchaus Deinen im besten Falle hilfreichen und konstruktiven Senf bei. Du weißt aber gleichzeitig, dass es die Entscheidung anderer ist, wie sie handeln. Außerdem ziehst Du in Betracht, selbst falsch zu liegen.
  • Du bist in dieser Welt für die Dauer Deines Lebens, das ist sicher. Du versuchst nicht, ihr zu entfliehen. Gleichzeitig lässt Du nicht zu, dass Dich diese Welt und ihr Drama beherrschen. Du bleibst der Boss.
  • Du bist Dir der Weltgeschichte bewusst. Regionen, wo heute Steinzeit-Islamisten herrschen, waren früher Hochkulturen. In Regionen, wo heute Freiheit und Demokratie existieren – wie in der freien und westlichen Welt – waren früher Mittelalter, Barbarei, Sklaverei und Diktatur beheimatet. Alles ändert sich – sicher ist jedoch, dass es immer irgendwo Freiheit gab und geben wird und Menschen, die danach streben. Genauso gab und gibt es immer Menschen, die Unterdrückung ermöglichen oder sogar danach streben und sie entsprechend verwirklichen. Die Frage ist, welche Rolle Du wo spielen willst und kannst.

Ich wünsche Dir viel Spaß und Erfolg dabei, in dieser Welt für Freiheit und Glück von Dir und anderen zu wirken, Dich dabei aber nicht von der Welt oder anderen Menschen runterziehen und entmutigen zu lassen.

Beitragsbild: © Arne Kruse


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