Was Social-Media-Nutzer und Hunde gemeinsam haben

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Geschlossenes Tor vs. offenes Tor

Kennt ihr die Videos, in denen sich Hunde anbellen, die sich auf gegenüberliegenden Seiten eines Hoftores befinden? Sie bellen sich aggressiv und laut an. Sie fletschen ihre Zähne. Sie stecken ihren Kopf drohend durch die metallenen Streben. Dann bedient jemand die „Öffnen“-Taste des Tores. Es fährt langsam zurück. Die Hunde stehen sich plötzlich ohne Barriere gegenüber – und stoppen ihre Drohgebärden. Sie bellen nicht mehr. Manche laufen weg. Manche wackeln mit ihrem Schwanz und schnuppern. Sobald das Tor wieder geschlossen wird, beginnt das gegenseitige Anbellen erneut. Der Status des Tores hat einen gewaltigen Einfluss. Ich finde, es gibt kein besseres Gleichnis für das Verhalten von Social-Media-Nutzern untereinander. Hier findet ihr eines dieser Hunde-Videos:

Digital vs. live

Wahrscheinlich würde ein Großteil der Diskussionen auf Facebook und auf anderen Plattformen anders verlaufen, wenn sich die Kontrahenten im „real-life“ gegenüber stehen oder sitzen würden. Wenn der Diskussionspartner nicht vor einem sitzt, haut man schneller Vorwürfe, Beleidigungen und persönliche Angriffe raus. Das Echo kann ja wiederum nur digital erfolgen. Doch dann ist man vielleicht schon ganz woanders unterwegs. Ganz anders bei Live-Treffen: Was immer man sagt und tut, das Gegenüber nimmt es in seiner Ganzheit wahr (Körperhaltung, Gestik, Mimik, Tonalität). Man selbst erfährt ad hoc das Feedback auf die eigene Kommunikation. Digitales Getippe bedeutet in diesem Fall: Tor zu. Live-Treffen bedeutet in diesem Fall: Tor auf. Die Live-Begegnung zähmt ungemein. Das gilt genauso für die Büro-Kommunikation: Per Email kann es leicht ruppiger werden. Live hält man sich eher zurück.

Maskiert vs. transparent

Ich behaupte: Je transparenter jemand in Social Media auftritt, desto achtsamer und zahmer verhält er sich. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Transparentes Auftreten bedeutet: Echter Name, echtes Profilbild, echte Bilder und Angaben, die zur echten Person gehören. Ein offenes Visier eben. Um beim Hundebeispiel zu bleiben: Social-Media Interaktion zwischen echten Profilen entspricht dem offenen Tor. Ich behaupte weiterhin: Je mehr sich jemand in Social Media maskiert, desto höher ist die Neigung oder Versuchung, heftig auszuteilen. Maskierung in Social Media bedeutet: Fantasienamen oder falsche Namen, keine Bilder der echten Person, keine Bilder oder Angaben aus dem echten Leben des Profilnutzers. Wer maskiert ist, verhält sich eher wie die Hunde beim geschlossenen Tor. Mehr noch: Wer sich maskiert, agitiert oft hemmungslos.

Privat vs. öffentlich

Social-Media-Nutzer, die nicht nur transparent auftreten, sondern auch öffentlich posten, achten in der Regel mehr auf das, was sie von sich geben. Denn Öffentlichkeit heißt: jeder kann es lesen. Sie ist das offene Tor beim Hundegleichnis. Öffentlichkeit diszipliniert. Private Posts, die nur Freunde sehen können, sind gerne gröber. Der Stammtisch grüßt. Privatheit bzw. eingeschränkte Lesbarkeit ist das geschlossene Tor. Das gilt freilich nur für transparente Profile. Wer maskiert unterwegs ist, postet öffentlich gerne jeden Mist – es kann ja nicht auf ihn oder sie zurückgeführt werden. Auf der anderen Seite kann Öffentlichkeit Menschen genauso dazu animieren, heftig auszuteilen. Ich denke an Talk-Shows, Podiums-Diskussionen, Youtube-Kanäle, politische Debatten und Reden. Je größer die Reichweite, desto größer die erhofften Auswirkungen der eigenen Schmähungen gegenüber anderen.

Fremd vs. bekannt

Fremde neigen zu heftigeren Auseinandersetzungen untereinander, als Bekannte. Zumindest, wenn es um gesellschaftspolitische Themen geht. Das ist logisch, da man Bekannte wieder trifft. Fremde, so denken die meisten, sieht man nicht wieder. Daher ist es egal, wie man sich aufführt. Bekanntsein ist das offene Tor. Sich nicht Kennen ist das geschlossene Tor.

Mega-geschlossen und ultra-offen

Ein mega-geschlossenes Tor wäre übertragen auf Mensch zu Mensch-Kommunikation folgende Situation: Zwei sich nicht kennende Fake-Profil-Nutzer giften sich auf Facebook gegenseitig an. Ein ultra-offenes Tor wäre folgende Situation: Zwei Bekannte sprechen auf einer öffentlichen Veranstaltung von Angesicht zu Angesicht miteinander. In Social-Media bedeutet ein ultra-offenes Tor: Profilnutzer mit je echten Namen, Bildern und Angaben, die sich kennen, diskutieren in öffentlich sichtbaren Threads miteinander.

Keine Rücksicht auf Maskierte

Ich für mich habe festgestellt, dass es keinen Sinn macht, mit Leuten zu diskutieren, die sich maskieren, während ich selbst ein offenes Visier trage. Nicht nur das: Es besteht meiner Meinung nach für niemanden, der transparent auftritt, auch nur die leiseste Notwendigkeit, auf das Gebaren von Maskierten einzugehen. Weder auf Argumente noch auf anderes. Wer sich maskiert, schließt sich selbst aus dem demokratischem Diskurs aus. Das gilt umso mehr, da es häufig Maskierte sind, die transparent auftretende Personen belästigen. Wer sich offen zeigt, macht sich angreifbar. Wer sich maskiert und dann andere mit offenem Visier angreift, verhält sich feige. In der Regel sind es Anhänger von Diktaturen, Extremisten, Trollprofile und Populisten aller Art, die sich maskieren.

Demokratie braucht offene Visiere

Mehr offene Tore – also offene Visiere – würden unser Miteinander meiner Meinung nach verbessern. Zu einer freien und demokratischen Gesellschaft gehören Bürger, die ihren Namen und ihr Gesicht zeigen. Wer das nicht tun will, muss das nicht tun. Er hat dann aber auch keinen Anspruch darauf, gehört oder beachtet zu werden.

Ich wünsche allen viel Spaß dabei, sich bei geöffnetem Tor mit anderen auszutauschen und Maskierten, die sich nicht benehmen können, den Laufpass zu geben.

Beitragsbild: © Arne Kruse


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